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Eine Kurzgeschichte: Glaube, Liebe, Hoffnung – (k)eine Utopie

 „Liebes, eins sei dir gesagt: Glaube, Liebe, Hoffnung. Das sind die Essenzen des Glücklichseins.“ Als mir Oma Gundi diese Worte an einem sonnigen Herbsttag vor meinem Einzug in die WG bei einem Tässchen Cappuccino zuflötete, stimmte ich ihr voller Inbrunst zu. Das hörte sich doch mal nach was Ordentlichen Brauchbarem an. So bodenständig – und positiv! Meine esoterisch-angehauchte Räucherstäbchen schnüffelnde Freundin Susi hätte es nicht besser ausdrücken können. Glaube, Liebe, Hoffnung: ein bisschen Positivity für die Ohren. Und jetzt? Wir haben Anfang Mai. 2020. Corona. Die geplanten Frühlingsgefühle am Flöten: Also, die Liebe ist schon mal gestrichen. Chaos. Pures Chaos. Auf der Welt. In meinem Kopf – und ganz klar auch in meiner Wohnung. Pardon! In meinem Zimmer! Langsam neige ich zu Größenwahn. Ich meine natürlich in meinem Zimmer. Die Wohnung, in der sich mein Zimmer befindet, ist nämlich eine WG. Klingt doch génial? Non, pas de tout. Zumindest inzwischen nicht mehr. Vor ein paar Wochen, ach was rede ich da, Monaten, da waren sie noch da: Der Zauber des Abenteuers mit seinen zwei Wohnpartnern sich zu quarantänisieren. Die verheißungsvollen stilvollen Besäufnisse über Houseparty, Skype und Co. Alles doch ganz lustig! Doch: die Stimmung kippte – genau wie der Rotwein gestern Abend auf den sündteuren Perser von Mitbewohnerin Lillys Tante Kunigunde. So langsam, aber sicher, hieß es nicht mehr Glaube, Liebe, Hoffnung. Sondern: Chaos, Klopapier-Diebe, Verzweiflung.  

Nun sitze ich da – mit dem verbrannten Bananenbrot in der einen Hand und mit der letzten Klopapierrolle in der anderen. Die Melancholie tropft nur so, gluckert aus mir heraus wie das rote Verderben des gestrigen Abends. Rot. Die Farbe der Liebe. Ist es denn doch zu utopisch? Der Glaube an den Glauben? …an die Liebe? … und die Hoffnung? Die Welt ist aus den Fugen geraten. Corona hat mir einen gehörigen Strich durch die Rechnung gezogen. Kein wildes larifari Studentenleben. Keine Partys. Keine Vorlesungen und Übungen mit Kommilitonen. Kein Einkauf ohne Klopapier. Keine Freunde umarmen. Kein Geld, weil der Minijob flöten gegangen ist. Die Aufzählung ließe sich definitiv fortsetzen. Nicht einmal gelungenes Bananenbrot. Gerade spiele ich mit dem Gedanken dieses Projekt nun endlich aufzugeben, da klingelt mein Handy. Oma Gundi. Die hatte mir gerade noch gefehlt.

Die Manieren einer guten Enkelin sind allerdings sogar in diesen Zeiten standhaft geblieben. Also atme ich einmal tief durch. Meine Freundin Susi – also die mit den Räucherstäbchen – würde jetzt sagen: „Die negative Energie ausatmen.“ Und gehe ran. „Hallo, mein Engel!“, flötet Oma. Ich sag´s ja. Die Räucherstäbchen… „Wie geht es dir?“ Hmpf. Nun ja… Doch Oma Gundi hat es anscheinend gar nicht auf eine Antwort abgesehen: „Liebes, seit Corona habe ich das Internet entdeckt. Ich wusste ja gar nicht, was da alles zu finden ist.“ Fast verschlucke ich mich an einer Scheibe trockenen Bananenbrot. Oh Gott! Die eigene Oma nun auch im Internet! Doch sie sprüht nur so vor Übereifer. „Ich habe sogar Bananenbrot gebacken! Himmlisch!“ Mein Blick wandert zu der Schuhsohle auf dem Wohnzimmertisch. Semi, denke ich und wende mich nun endlich mal mit Worten meiner Großmutter zu. Doch außer einem zustimmenden „das klingt gut“ kommt mir nicht viel über die Lippen.

Am anderen Ende der Leitung ist es nun auch still. Sie scheint mit ihren Antennen die Situation durchschaut zu haben: „Weißt du, es gibt manchmal Zeiten im Leben, da laufen die Dinge nicht ganz so geschmiert, wie man will. Und damit meine ich jetzt nicht nur ein ungenießbares Bananenbrot.“ Sie lacht – und ich frage mich ernsthaft, ob sie heimlich Kameras in meiner Wohnung installiert hat. „Natürlich ist das alles gerade nicht schön, aber uns geht es doch eigentlich noch ganz gut.“ Ich denke an meine Problemchen. Ja, Corona hat uns allen definitiv einen Strich durch die Rechnung gemacht – in vielerlei Hinsicht. Aber mein Strich ist vergleichsweise klein und schmal. Gesundheit ist die Basis jeden Glücks – und ich bin gesund. Ich habe ein warmes Zuhause, Essen, Freunde, Familie – und wenigstens noch eine Klopapierrolle. Mir geht es gut.

„Da hast du Recht, Oma“, sage ich, während ironischerweise nun Sonnenstrahlen in das WG-Wohnzimmer hereinlugen und mein verkokeltes Brot anstrahlen. Ich muss schmunzeln. So utopisch ist das vielleicht gar nicht mit dem Glauben, der Liebe und der Hoffnung. Mit einem Lächeln verabschiede ich mich von meiner Oma und gehe samt meinem Brot mit schwungvollen Schritten in die Küche.

Glaube, Liebe, Hoffnung also…Nun gut: Voller Liebe pfeffere ich das gute Stück Brot in den Mülleimer, voller Glauben an meine Backkünste fertige ich einen neuen Teig an – und voller Hoffnung sprinte ich danach in den nächsten Supermarkt. Hoffentlich ist noch eine Packung Klopapier da! Photo by: Kinga Cichewicz on Unsplash

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1 Comment

  1. Vielen Dank für Deine kleine Geschichte! Ich finde sie einfach, locker und positiv gestimmt. Trotz Corona. Ich hab die Seite dieses Magazins gerade gefunden. Vor allen Dingen find’ ich es gut, dass sich überhaupt mal wieder mit den Themen Glaube, Liebe, Hoffnung befasst. Eine Seltenheit, find ich, da die Zeiten inzwischen fast nichts Anderes mehr zulassen als Angst, Zurückgezogenheit, Agression, Spaltung oder noch Schlimmeres. Es ist längst nicht mehr so wie zu Beginn dieses Verhängnisses, da alle noch brav an eine schlimme Krankheit dachten und/oder daran glaubten. Aber gerade jetzt, da fast überall eine Massenpsychose zu spüren ist oder wenigstens durchscheint, scheint es angebracht, sich endlich wieder auf den Sinn des Lebens zu besinnen. Besonders, da man kaum noch unterscheiden kann, was Lüge und Wahrheit ist und die Massenmedien mehrerer Länder den gleichen Fahrplan zu haben scheinen und man die Wahrheit erst nach beträchtlichem Aufwand rauskriegt. Serviert bekommt man sie nicht. Man muss suchen. Aber das wiederum find ich gut. Wer wachbleiben will, sucht, denkt und gibt nicht nach.

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