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Die Lawine weiß nicht, dass du nur ein Wanderer bist…

Seit der Coronazeit erlebt das Wandern im winterlichen Gebirge einen gigantischen Boom. Und während ein Großteil der Skitourengeher mittlerweile recht gut ausgebildet und ausgerüstet unterwegs ist, ist das bei vielen Winterwanderern nicht der Fall. Und das ist brandgefährlich, wie die steigende Anzahl der Rettungseinsätze belegt.

Als Skitourengeher habe ich schon so manchen Winterwanderer angesprochen, ob er denn eine Sicherheitsausrüstung bei sich tragen würde, also Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Schaufel und Sonde? Die verblüffende Antwort war in der Regel: „Nein, wir sind ja keine Skitourengeher, wir wandern ja nur…“ Als ob die Lawine da eine Unterscheidung machen würde.

Ausrüstung und alpines Fachwissen

Doch nicht nur bezüglich der Ausrüstung gibt es hier oft ein kritisches Defizit. Im winterlichen Gebirge ist eine gründliche Tourenplanung auf Grundlage von Lawinenlage-, Wetter- und oft auch Erfahrungsberichten erforderlich. Geländekönnen, richtiges Kartenlesen und Orientierungsvermögen sind im verschneiten und damit weglosen Gelände Grundvoraussetzungen, egal ob man sich mit Tourenski, Schneeschuhen oder einfach zu Fuß bewegt. Neben alpinem Fachwissen ist auch ein entsprechendes alpines Können gefragt. Denn eine Tour, die im Sommer ganz leicht sein kann, kann unter winterlichen Verhältnissen weitaus anspruchsvoller, ja sogar extrem schwierig sein. Die Bewertung einer Wandertour in der Führerliteratur bezieht sich ausschließlich auf sommerliche Normalverhältnisse. Dies ist jedoch vielen Sonntagswanderern gar nicht bewusst.

Viele Bergwachteinsätze

Zu oft musste dieses Jahr die Bergwacht schon ausrücken, um blockierte Personen zu retten. Selbst noch erkennbare Wege bergen im Winter deutlich höheres Gefahrenpotenzial als ohne Schnee und Eis. Im Mangfallgebirge musste die Bergwacht in dieser Saison bereits Personen bergen, die aufgrund des Schnees nicht mehr vor und zurück kamen. Ja womit haben die denn im Winter gerechnet?

Zu oft stellt es sich als fatal heraus, dass Wanderer sich irgendeine Sommertour aussuchen und diese einfach mal im Winter probieren möchten (z.B. anhand von GPS-Tracks). Dabei wird häufig jedwede Gefahreneinschätzung aufgrund der aktuellen Verhältnisse vernachlässigt.

Und noch ein Hinweis: Es gehört zu den Alpinen Spielregeln und ist außerdem ein Gebot der Fairness, dass man als Fußgänger im Winter weder die Skispur (Loipe) noch den kompletten Hang (oder gar eine Piste) zertrampelt. Bitte einfach eine gute, ans Gelände angepasste Fußgängerspur anlegen! 

Winterwanderer ist nicht gleich Winterwanderer

Sicher ist all das Beschriebene nicht immer und bei allen Winterwanderern der Fall. Es gibt selbstverständlich auch absolut kompetente Winterwanderer. Außerdem wird Gott sei Dank! nicht jeder Fehler bestraft. Das wiederum führt aber auch zu einer positiven Erfahrungsspirale. Ist es einmal gut gegangen, wird es das nächste Mal auch passen; und weil wir jetzt schon ein bisschen Erfahrung haben, dürfen wir uns auch beim nächsten und übernächsten Mal etwas mehr zutrauen. Das geht so lange gut, bis es eben mal schief geht…

Fazit

  1. Winterwandern ist ein toller Sport und bietet fantastische Naturerlebnisse. Es will aber auch gelernt sein!
  2. Jeder hat das Recht das winterliche Gebirge auf seine Art zu genießen, egal ob auf Ski oder zu Fuß. Doch auch Winterwanderer sollten sich unbedingt an die alpinen Spielregeln halten. Und wer diese nicht kennt – Alpinschulen und Alpenverein bieten sehr gute Kurse an.

Zitat: Die Überschrift „Die Lawine weiß nicht, dass du nur ein Wanderer bist…“ ist die Abwandlung eines Zitates, das Werner Munter (Schweizer Bergführer und Lawinenexperte) zugeschrieben wird. Dieser sog. Lawinenpapst war verantwortlich für einen Paradigmenwechsel in der Lawinenkunde. Während früher eine rein physikalische Sichtweise in der Beurteilung der Gefahr dominierte, brachte Munter mit der sogenannte Formel 3×3 sowie der elementare Reduktionsmethode eine auf Wahrscheinlichkeiten basierende Risikoeinschätzung ins Spiel. Dabei handelt es sich ähnlich wie bei der Rasterfahndung um ein Herausfiltern bestimmter Kriterien sowie um statistische Wahrscheinlichkeiten. Im Original lautet das Zitat: „Die Lawine weiß nicht, dass du Experte bist.

 

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